Der Führerschein wird von der zuständigen Behörde gemäss Art. 16 Abs. 2 Strassenverkehrsgesetz (SVG) entzogen, wenn eine Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften begangen wird, bei der ein Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz (OBG) ausgeschlossen ist.
Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn andere Menschen durch das Verhalten eines Autofahrers gefährdet werden oder wenn ein Schaden verursacht wird.
Nach der alten Rechtsprechung durfte sich ein Autofahrer jederzeit darauf verlassen, auf der Autobahn nicht plötzlich rechts überholt zu werden. Das Bundesgericht qualifizierte das Rechtsüberholen deshalb als schwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz. Deshalb war das Ordnungsbussenverfahren ausgeschlossen und der Führerschein musste zwingend entzogen werden.
In seinem Entscheid vom 3. November 2022 hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung aber insoweit geändert, dass das Rechtsüberholen nicht mehr zwingend eine grobe Verkehrsverletzung darstellen muss, weil der Bundesrat den Tatbestand des Rechtsüberholens am 1. Januar 2021 in die Ordnungsbussenverordnung (OBV) aufgenommen hat. In Ziff. 314.3 OBV ist seitdem eine Busse in Höhe von CHF 250 vorgesehen, wenn auf Autobahnen und Autostrassen mit mehreren Spuren rechts überholt wird, sofern dies ohne erschwerende Umstände geschieht (bspw. schlechte Strassen- oder Sichtverhältnisse, Überholen mehrerer Fahrzeuge etc.).
Im erwähnten Fall waren sowohl die Strassen- als auch die Sichtverhältnisse gut und es wurde nur ein anderes Auto an einer ungefährlichen Stelle überholt, weshalb der langsamere Fahrer sein Verhalten nicht anpassen musste. Somit liegt gemäss Bundesgericht der Ausnahmefall der Ordnungswidrigkeit vor, wobei dieser nur zurückhalten angewendet werden soll.
Der Führerschein wurde demnach nicht entzogen und die Sache wurde zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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