Rafaela
– März 10, 2022

Das Baueinspracheverfahren

Unser Nachbar möchte sein Haus komplett sanieren. Dazu gehören nebst diversen Anpassungen am Aussenbereich auch der Einbau zweier relativ hoher Dachlukarnen, welche unsere Sicht auf die Berge massiv einschränken. Wir würden gerne Einsprache erheben, fürchten uns jedoch vor einem aufwändigen und langwierigen Verfahren. Wie läuft das genau ab? Wie lange kann ein solcher Prozess dauern?

Das baurechtliche Einspracheverfahren ist in erster Linie dazu da, um den Anspruch auf rechtliches Gehör zu gewährleisten. Da es nach dem Entscheid einer Behörde über ein Baugesuch nicht mehr möglich ist, Einsprache zu erheben, muss man sich von Anfang an, also bevor das Baugesuch überhaupt bewilligt wird, dagegen wehren.

 

Wer kann eine Einsprache erheben?

Gegen ein Baubewilligungsgesuch können gemäss § 207 Abs. 1 lit. a PBG LU alle Personen Einsprache erheben, die an der Aufhebung des Gesuchs ein schutzwürdiges Interesse geltend machen können. Dieses hat, wer in beachtenswerter Nähe zur Streitsache steht, also derjenige, der an der Abweisung des Gesuches stärker interessiert ist, als die Allgemeinheit und wer in höherem Masse als alle anderen, besonders und unmittelbar berührt wird. Die schutzwürdigen Interessen müssen dabei nicht rechtlicher Natur sein, es kann sich auch um wirtschaftliche, ideelle oder rein tatsächliche Interessen handeln. Im Baurecht ist dafür ein räumlicher Bezug, also eine feste nachbarliche Nähe vorausgesetzt. Die räumliche Distanz ist in der Regel dann gegeben, wenn die nachbarliche Liegenschaft sich in einem Umkreis von rund 100 Metern befindet. Ist dies nicht der Fall, muss dies allerdings nicht bedeuten, dass man nicht einspracheberechtigt ist. Es muss immer der Einzelfall betrachtet und nach der Schwere der Einwirkungen (z.B. Lärm, Licht, Gerüche) beurteilt werden.

 

Die öffentlich-rechtliche Einsprache

In einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis stehen sich eine Privatperson und der Staat gegenüber. Eine öffentlich-rechtliche Einsprache dient gemäss Art. 194 Abs. 2 PBG LU dazu, die Verletzung von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen geltend zu machen, d.h. wenn eidgenössische, kantonale oder kommunale Bestimmungen durch eine Baubewilligung verletzt werden.

 

Die privatrechtliche Einsprache

Gleichermassen können mit der privatrechtlichen Einsprache Verletzungen von Rechtsnormen des Privatrechts geltend gemacht werden. Häufig betroffen sind die Bestimmungen des Nachbarrechts von Art. 679 und 684 ZGB. In diesem Verhältnis stehen sich nicht mehr eine Privatperson und der Staat gegenüber, sondern zwei Privatpersonen.

Die privatrechtlichen Einsprachen werden auf dem Zivilrechtsweg geführt und die Einsprache führende Person wird daher nach § 62 Abs. 2 PBV LU von der Gemeinde an einen Zivilrichter verwiesen. Dies hat zur Folge, dass das Verfahren mit mehr Aufwand verbunden ist.

 

Form der Einsprache

Gemäss § 194 Abs. 1 PBG LU ist die Einsprache schriftlich und im Doppel bei der zuständigen Behörde einer Gemeinde einzureichen. Dies ist normalerweise das Baudepartement, welches die Einsprache zum Entscheid an den Gemeinderat weiterleitet.

 

Was muss eine Einsprache enthalten?

Jede Einsprache muss einen Antrag und eine Begründung enthalten. Damit muss festgehalten werden, was mit ihr erreicht werden soll. Im Normalfall wäre das die vollständige Verweigerung oder die Erteilung einer teilweisen, angepassten Baubewilligung. Auch das vorher erwähnte schutzwürdige Interesse muss aufgezeigt werden (siehe oben). Handelt es sich um nur vorübergehende aber übermässige Beeinträchtigungen wie bspw. Lärm oder Schmutz, kann über das Zivilrecht Schadenersatz gefordert werden.

 

Was für Fristen sind zu beachten?

Die Einsprache muss laut § 193 Abs. 2 PBG LU im ordentlichen Verfahren innert einer 20-tägigen Auflagefrist eingereicht werden. Im vereinfachten Verfahren gilt nach § 198 Abs. 1 lit. d PBG LU jedoch eine verkürzte Frist von 10 Tagen ab Zustellung der Mitteilung an die Grundeigentümer. Dies betrifft speziell bezeichnete Bauten, Anlagen und Änderungen an ihnen, über die die betroffenen Grundeigentümer informiert werden, ohne dass dies öffentlich bekannt gemacht wird.

 

Was passiert, nachdem die Einsprache eingereicht wurde?

Den Grundeigentümern und der Bauherrschaft wird die eingereichte Einsprache gemäss § 194 Abs. 3 PBG innert fünf Tagen nach Ablauf der Einsprachefrist zugestellt, damit sie dazu Stellung nehmen können. Ist dies der Fall, wird die Stellungnahme wiederum der einsprechenden Partei zugestellt, Anschliessend entscheidet laut § 196 Abs. 1 PBG LU der Gemeinderat über das Baubewilligungsgesuch und die Einsprache.
Den Einsprechern wird daraufhin nach § 196 Abs. 3 PBG der Entscheid über das Baugesuch zugestellt.

Grundsätzlich müssen Sie also vor allem darauf achten, dass Sie die geltenden Fristen einhalten, ansonsten wird eine Einsprache hinfällig. Die genaue Dauer des Verfahrens kann sehr unterschiedlich sein und hängt sowohl vom Umfang des Bauvorhabens, von der Kompromissfähigkeit Ihrer Nachbarn, wie auch von der Auslastung der Behörden ab.

Haftungsausschluss: Beachten Sie, dass die Einsprachefristen von Kanton zu Kanton unterschiedlich sein können; dieser Ratgeber nimmt einzig auf die Fristen gemäss dem Planungs- und Baugesetz des Kantons Luzern Bezug.

 

Haben Sie Fragen zum Thema Baurecht? Unsere Anwältinnen und Anwälte beraten Sie gerne.

 

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