Auf ein Notwegrecht nach Art. 694 ZGB hat ein Grundeigentümer nur unter strengen Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch. Gemäss Bundesgericht kann er nur dann geltend gemacht werden, wenn auch tatsächlich eine Notlage vorliegt (BGE 105 II 178 E. 3b). In einer solchen Notlage befindet sich, wer zur bestimmungsgemässen Nutzung seines Grundstücks über keine erforderliche Verbindung zur öffentlichen Strasse besteht oder der vorhandene Weg sich als ungenügend herausstellt (BGE 117 II 35 E. 2).
Vorgängige Abklärungen
Umfang und Art entscheiden sich nicht durch den sich in Not befindenden Grundeigentümer, sondern danach, was für die bestimmungsgemässe Nutzung und Bewirtschaftung des Betroffenen, nicht erreichbaren, Grundstückes notwendig ist.
Will ein Grundeigentümer nun einen Notweg beanspruchen, muss er zuerst untersuchen, wo der förderlichste Weg durchführen würde. Dieser Anspruch richtet sich gemäss Art. 694 Abs. 2 ZGB grundsätzlich gegen denjenigen Nachbarn, dem es am ehesten zugemutet werden kann und gegen denjenigen, für den der Notweg am wenigsten Schaden verursacht. Wurde die günstigste Strecke für den Notweg ausgewählt, müssen die betroffenen Nachbarn schriftlich um ihre Zustimmung gebeten werden. Wie gewöhnliche Grunddienstbarkeiten, ist auch die Eintragung für vertragliche Vereinbarungen im Grundbuch möglich.
Zivilklage bei Uneinigkeit
Kommt keine Einigung zustande, kann eine Zivilklage erhoben werden. Art und Umfang des Notwegrechts werden dann laut Art. 694 Abs. 3 ZGB vom Richter unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien festgelegt. Demjenigen Grundeigentümer, der von dem Notwegrecht belastet wird, steht nach Art. 694 Abs. 1 ZGB ein Anspruch auf vollständige Entschädigung zu.
Dieser Anspruch besteht, weil das Dulden des Notwegrechts durch den Notwegrechtgeber eine Wertminderung seines Grundstücks zur Folge hat. Für Ihren Nachbarn besteht noch eine andere Möglichkeit, um zu seinem Grundstück zu gelangen. Dieser ist zwar komplizierter, jedoch nicht unmöglich. Deshalb befindet er sich nicht dermassen in einer Notlage, wie sie vom Bundesgericht verlangt wird. Falls Sie keine Einigung finden, wäre die richterliche Erteilung eines Notwegrechts hier somit eher unwahrscheinlich.
Anspruch auf Entschädigung
Sollte das aber trotzdem der Fall sein, hätten Sie einen Anspruch auf volle Entschädigung Ihres Nachbarn für die Mitbenutzung Ihres Grundstücks. Heisst: Wird beispielsweise eine sich im Eigentum dieses Nachbarn stehende Strasse vom Notwegberechtigten mitbenutzt, so hat dieser wohl einen Anteil an den Strassenunterhalt beizusteuern. Wird dahingegen eigens eine Strasse oder ein Weg nur für den Notwegberechtigten erstellt, so trägt in der Regel dieser die gesamten Kosten.
Ein Artikel von Reto von Glutz, lic. iur., Rechtsanwalt, erschienen als Ratgeber bei der Luzerner Zeitung.